Gedanken zu 100 Jahre Novemberrevolution

Veröffentlicht am 03.11.2018 in Bundespolitik

In der letzten Vorstandssitzung der Steinheimer SPD wurde der Wunsch geäußert, in diesem Jahr ganz bewusst an den 9. November 1918 zu erinnern. Vor genau 100 Jahren erlebte Deutschland die Novemberrevolution, als sich in Kiel die Matrosen weigerten, im aussichtslos gewordenen 1. Weltkrieg weiterhin für Gott, Kaiser und Vaterland als Kanonenfutter herzuhalten. Auch in Berlin erhoben sich die Arbeiter gegen die kaiserliche Autorität und seinen Generalstab und fegten das alte Regime auf revolutionärem Wege hinweg.

Es war der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann, der am Abend des 9. November 1918 die Abdankung des Kaisers verkündete und die Ausrufung der Republik von der Balustrade des Reichstages vornahm.

Von Anfang an wurden die junge Republik und die sie repräsentierenden sozialdemokratischen Politiker erbittert bekämpft: Von der rechten Seite durch das Militär und die alte kaiserliche Beamtenschaft und Justiz. Dies geschah in besonders perfider Weise: Die drohende militärische Niederlage vor Augen, hatte die oberste Heeresleitung die weitere Verhandlungskompetenz dem Parlament unter Führung der SPD übergeben. Die Generalität selbst war zu feige, die Kapitulation und Niederlage offiziell einzugestehen und die Verantwortung zu übernehmen. Diese übergaben sie gern den Sozialdemokraten, die dann die schweren Bedingungen der Siegermächte dem Volk zu vermitteln hatten. Dafür wurden sie von den reaktionären Kräften wider besseres Wissen verleumdet und beschuldigt, sie hätten Deutschland verraten und den angeblich „im Felde unbesiegten Truppen“ mit den Friedensverhandlungen den „Dolchstoß“ versetzt.

Genauso heftig wurde die junge Republik von linker kommunistischer Seite attackiert. Die neu gegründete KPD verfolgte hartnäckig das Ziel, die Revolution nach russisch-bolschewistischem Muster auszuweiten und eine Räterepublik wie unter Lenin in Russland zu etablieren.

Dabei traf sie auf den entschiedenen Widerstand der Sozialdemokraten, die sich leidenschaftlich für eine demokratische Ordnung mit freien und direkten Wahlen einsetzten und die „Diktatur des Proletariats“ strikt ablehnten.

Es ist ein bleibender Verdienst der SPD, dass sie es trotz größter Widerstände von links und rechts schaffte, die junge Weimarer Republik zu etablieren. Es gelang ihr, den Krieg zu beenden und eine erste demokratische Verfassung auszuarbeiten, die viele kostbare und für uns heute selbstverständliche Freiheiten enthielt. Dazu gehören: Pressefreiheit, Wahlrecht für alle – erstmals auch für Frauen! – , unabhängige Justiz und volle Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit.

Der entscheidende Fehler jedoch war die mangelnde Unterstützung vieler Volksschichten, die mehr und mehr den Demagogen von rechts und links folgten. „Demokratie braucht Demokraten“ sagte einmal der erste Reichspräsident Friedrich Ebert – „sonst droht sie unterzugehen“. Am Ende der Weimarer Republik stand die SPD nahezu allein – sie blieb die einzige Partei, die dem Ermächtigungsgesetz von Adolf Hitler die Zustimmung verweigerte. Es war zu wenig, um den bekannten Gang in die Diktatur und Barbarei noch aufzuhalten.

Friedmar Sonntag, SPD Steinheim an der Murr, im Oktober 2018