150 Jahre SPD: Erwin Schneider aus Schorndorf seit 85 Jahren Parteimitglied

Veröffentlicht am 13.05.2013 in Aus dem Parteileben

Dem Schorndorfer SPD-Mitglied Erwin Schneider wurde jetzt in kleinem Rahmen ein große Ehrung zuteil. So gratulierten Oberbürgermeister Matthias Klopfer (SPD), die stellvertretende Landesgeschäftsführerin Anni Betz und der Schorndorfer SPD-Vorsitzende Hans-Ulrich Schmid Erwin Schneider bei einem Besuch im Marienstift zu seiner 85jährigen Mitgliedschaft in der SPD.

War vor fünf Jahren noch der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel zu Gast, um bei einer großen Festveranstaltung das Mitglied zu ehren, wäre dem heute 99jährigen ein großer Bahnhof zu viel gewesen. Deshalb blickten Jubilar und Gratulanten in einer kleinen Feierstunde auf ein Parteileben zurück, das seinesgleichen sucht. Dabei wurde auch ein Grußschreiben des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel überreicht.

Oberbürgermeister Klopfer sprach von ist einer „beeindruckende Lebensgeschichte“ und drückte den Wunsch aus, Erwin Schneider auch im nächsten Jahr noch zum 100. Geburtstag gratulieren zu dürfen. Mit dem Fahrrad nach Berlin, dort den Reichstagsbrand hautnah erlebt – und wegen „Hochverrat“ schon 1933 zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil er Flugblätter gegen das Naziregime gedruckt und verteilt hatte.

Der SPD-Vorsitzende Hans-Ulrich Schmid stellte heraus, dass sich am Leben Erwin Schneiders nachvollziehen lasse, vor welchen Abgründen die Mitglieder des SPD standen: „Erwin Schneider war den Nazis gegenüber unbeugsam und musste dafür wie viele andere Verfolgte bitter bezahlen.“ Seine Haltung im 3. Reich verdiene Bewunderung. Durch Erwin Schneider werde aber auch deutlich, welche Erfolge die Sozialdemokratie und die Arbeiterbewegung in ihrer 150-jährigen Geschichte geschrieben habe. So habe Schneider mit seiner Arbeit als Betriebsratsvorsitzenden der TWS an maßgeblicher Stelle den sozialen Aufstieg und Wohlstand der 4000 Beschäftigten des Energieversorgers gestaltet. Hans-Ulrich Schmid: „Dieser Einsatz hat sich gelohnt. Du bist ein Beispiel für die Hartnäckigkeit mit der Gewerkschaften und SPD die Lebensumstände der Menschen verbessert haben.“

Gewerkschafter und Sozialdemokrat – der Werdegang von Erwin Schneider

Erwin Schneider wurde 1914 im Stuttgarter Westen geboren. Er wuchs als jüngster Sohn eines politisch eher uninteressierten Schneiders und einer Hausfrau mit drei Geschwistern in einem Hinterhaus im Stuttgarter Westen auf. In der Kindheit prägend waren regelmäßige Besuche in den Stuttgarter Waldheimen und das Singen im Kinderchor. Aus diesem sozialistisch geprägten Umfeld heraus erfolgte dann 1928 der Eintritt in die SAJ (Sozialistische Arbeiterjugend). Der Jugendverband wurde nach dem Zusammenschluss von SPD und USPD 1922 aus deren Jugendverbänden gegründet. Mit dem Eintritt in die SAJ begann damit auch die Zeitrechnung der heute 85jährigen Mitgliedschaft Erwin Schneiders in der SPD.

In der zweiten Jahreshälfte 1931 spaltete sich die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD) von der SPD ab. Dabei verließen ca. 5000 Mitglieder die SAJ und schlossen sich dem Sozialistischen Jugendverband (SJVD) der SAPD an, unter ihnen Willy Brandt und 1932 auch Erwin Schneider. Wie in den Erinnerungen Willy Brandts nachzulesen, gab es im Nachhinein einen formellen Beschluss der SPD, dass Mitgliedschaften in der SAPD als durchgängige Zugehörigkeit zur SPD gelten.

Im Februar 1933 wurde Erwin Schneider dann zum letzten SAP-Parteitag nach Berlin entsandt. Mit dem Fahrrad bewältigte er die Strecke Stuttgart – Berlin – Stuttgart. Dort erlebte er, wie der Reichstag in Flammen aufging und die sich anschließenden Verhaftungswellen. Noch im Jahr 1933 wurde er des Hochverrats angeklagt. Ihm wurde unter anderem das Verteilen von Flugblättern zur Last gelegt. Er wurde zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt, die er im Heilbronner Landesgefängnis absitzen musste. Nach seiner Freilassung 1934 arbeitete Erwin Schneider im Rahmen der „Landhilfe“ in Schleswig- Holstein. Der Druck der Verfolgung ließ aber nicht nach. So kam es zu seiner Verhaftung und 14tägigem Verhör durch die Polizei. 1935 dann die Rückkehr nach Stuttgart und Arbeit in der Norma-Kugellagerfabrik. Wieder Verhaftung und Verhör durch die Gestapo. 1936 dann der Umzug nach Bad Cannstatt.

1944 wurde Erwin Schneider von der Wehrmacht eingezogen und musste in Polen und Ungarn an die Front. „Ich erschieße keine Menschen“ sagte sich der „Soldat“ Schneider. Das habe er auch eingehalten. Daneben geschossen habe er aber „wie ein Verrückter“; immer verbunden mit dem Gedanken, „diese Patrone trifft keine Menschen mehr“. Mit einem Streifschuss Anfang 1945 endete für ihn der 2. Weltkrieg im Lazarett.

Nach 1945 mit dem Neubeginn der SPD erfolgte die Gründung der Falkengruppe in Cannstatt und vor allem ab 1954 eine steile Karriere im Betriebsrat der TWS. Schon nach wenigen Jahren wurde er zum Betriebsratsvorsitzenden der 4000 Beschäftigten der TWS gewählt. Die Tätigkeit in der SPD beschränkte sich aus Zeitgründen auf die praktische Mithilfe in Wahlkämpfen.

In der Familie Schneider war vor allem Luitgard, mit der Erwin Schneider seit 1955 verheiratet ist und zwei Kinder Liane und Gerd hat, für die aktive Parteiarbeit zuständig. Luitgards Vorstandsämter und das Mandat im Bezirksbeirat Cannstatt stehen dafür. 1978 dann der Umzug der Familie ins Remstal mit den Stationen Grunbach und Schorndorf. In Schorndorf gründete Luitgard das Seniorenforum, dessen Ehrenvorsitzende sie heute ist. 2013 feiert Erwin Schneider die 85jährige Zugehörigkeit zur SPD.

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