Fluch und Segen des freien Handels

Veröffentlicht am 30.03.2015 in Presseecho

René Repasi

Artikel aus der Stuttgarter Zeitung, Ausgabe Kreis Ludwigsburg (Nr. 74)
vom Montag, den 30. März 2015, Seite Nr. I Marbach & Bottwartal

Murr Die Standpunkte zu TTIP sind in Murr kontrovers diskutiert worden. Astrid Killinger

Gesetzliche und historische Hintergründe zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU lieferte der Jurist René Repasi bei der Veranstaltung der Bottwartaler SPD im Bürgerhaus Murr am Freitagabend. Der Mitarbeiter des Heidelberger Instituts für deutsches und europäisches Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht, der unter anderem im SPD-Vorstand Karlsruhe-Land aktiv ist, stellte auch das Prozedere der Verhandlungen und den aktuellen Stand nach neun Runden dar. Der öffentliche Protest habe inzwischen für mehr Transparenz gesorgt. Die EU-Kommission veröffentliche die Papiere nach jeder Verhandlungsrunde im Internet, allerdings nur auf Englisch. Zur Beantwortung der Frage 'TTIP - Fluch oder Segen?', die über dem Abend stand, taugten wirtschaftliche Prognosen nicht, so Repasi. Sie reichten von Annahmen großen Wachstums bis zur Prophezeiung von Arbeitsplätzeverlust. Für ihn geht es darum um die grundsätzliche Einstellung zum Freihandel. Der Markt agiere bereits global. Repasi plädierte für eine Internationalisierung der Regulierung. Freilich komme es auf die Details in der Ausgestaltung von Verträgen an. Seine tendenzielle Befürwortung begründete er auch mit der Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland und die EU-Staaten aufgrund der demografischen Entwicklung 'eher kleiner als größer werden'. Er glaube nicht, dass eine Wirtschaftsunion etwa mit China und Indien besser wäre als eine mit Amerika.

Der Kirchberger Biolandwirt Robert Trautwein möchte stattdessen einen 'fairen Handel mit allen Staaten, auch den nicht so reichen'. Vielleicht werde sich dann auch das Flüchtlingsproblem etwas ändern, so seine Vision. Er sehe in TTIP nichts, was den bisherigen Handel mit den USA verbessern könnte. Seine Ablehnung macht das Mitglied des Vereins Gentechnikfreie Landkreise Ludwigsburg/Rems-Murr am Thema Gentechnik fest: Die USA wollten ihre Gentechnik weltweit verkaufen, und Europa sei da noch ein Hemmschuh, nimmt er als TTIP-Motiv an. Einmal in der freien Natur, seien gentechnikveränderte Pflanzen nicht mehr rückholbar. Mit ihrem Anbau verbunden sei ein ständig steigender Einsatz von Pestiziden. Amerikanische Farmer steckten bereits im Dilemma mit resistenten Superunkräutern. 'Der Handel existiert, also versuchen wir, ihn zu gestalten und bei TTIP mitzumischen'. So skizzierte DGB-Mitarbeiterin Katrin Distler die Devise des Deutschen Gewerkschaftsbundes.

Die bisherigen Proteste hätten gezeigt, dass sich was bewegen könne. So habe es Verbesserung bei der Konzeption der Schiedsgerichte gegeben. Vor ihnen sollen Staaten das Recht auf Investitionen in anderen Ländern einklagen können. Es müsse aber noch viel getan werden, machte Distler klar. Von acht 'Kernarbeitsnormen', die europäische Standards schützen sollen, hätten die USA erst zwei unterzeichnet. Es sei wichtig, auf die Abgeordneten im Europäischen Parlament einzuwirken. Die Mehrheit dort sei 'nicht unbedingt gegen TTIP'. Repasi hatte die große rechtliche Bedeutung des EU-Parlaments für das Zustandekommen von TTIP betont.

Kritische Beiträge kamen aus dem Publikum, über Einschränkungen im Brüsseler TTIP-Leseraum bis zu Fracking.

Auf die Frage 'Gehen wir mit der Gestaltung der Globalisierung richtig um?' antwortete Repasi: 'Nein. TTIP ist eine Notlösung von Bürokraten. Die Globalisierung muss durch Parlamente erfolgen.'