Die Belastung geht an die gesundheitliche Substanz

Veröffentlicht am 02.05.2015 in Presseecho

Artikel aus der Stuttgarter Zeitung, Ausgabe Kreis Ludwigsburg (Nr. 100),
vom Samstag, den 02. Mai 2015, Seite Nr. IV, Marbach & Bottwartal:

 

 

 

Steinheim. Über Fehlentwicklungen in der Krankenpflege ist es bei der Vormai-Feier des SPD-Ortsvereins gegangen. Astrid Killinger

Die traditionelle Vormai-Feier der Steinheimer SPD würdige die Arbeit von Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräten. Daran erinnerte Regina Traub, SPD-Fraktionsvorsitzende im Stadtrat und zweite stellvertretende Bürgermeisterin. Auf das Spezialthema in diesem Jahr, den Pflegebereich, stimmte der frisch gewählte neue Vorsitzende des Ortsvereins ein. Nils Steenbuck war selbst 'Gesundheits- und Krankenpfleger', kehrte dem Beruf aber vor drei Jahren den Rücken. 'Vieles läuft nicht so, wie man sich das vorstellt'.

Das stellte der Stuttgarter Verdi-Vertreter Jürgen Lippl ausführlich dar. Mit der Umstellung der Finanzierung habe sich zwar die Verweildauer der einzelnen Patienten verkürzt. Keiner liege mehr seine Rechnung ab, was positiv sei. Aber die Zahl der Fälle sei gestiegen bei gleichzeitiger Abnahme der Vollkraftstellen. Den Arbeitsanstieg für die Beschäftigten bezifferte Lippl mit inzwischen 30 Prozent. Hinzu kämen ungeregelte Pausen in Zehn-Stunden-Schichten, das Einspringen an eigentlich freien Tagen. Weil die Belastung an die gesundheitliche Substanz gehe, würden viele Kollegen die Arbeitszeit reduzieren. Dies wirke sich wiederum schlecht auf die ohnehin nicht üppige Rente aus. Außerdem sei es gar nicht so leicht, für die Ausfälle Nachwuchs zu finden. Das Image dieses Berufs sei nicht gut. In Deutschland kommen laut Lippl auf eine Pflegekraft 10,4 Patienten. In den Niederlanden seien es nur 5,5. Inzwischen bleibe hier oft nicht einmal genug Zeit für das Dringendste, geschweige denn für ein Gespräch zwischendurch auf der Bettkante, was er jedoch als ebenfalls wichtig erachtet. Lippl berichtete von aus dem Ausland angeworbenen Pflegekräften, die aufgrund dieser Umstände fluchtartig wieder zurück in ihre Heimatländer gegangen seien.

Ralf Kurfiss, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender am Krankenhaus Bietigheim, bestätigte diese Aussagen. Um Betriebskosten einzusparen, werde ständig an der Personalschraube gedreht. Es bleibe immer weniger Zeit für die Menschen, die Patienten würden 'durchgepuscht'. Aber auch bei den Investitionskosten reiche es hinten und vorne nicht. Kurfiss sprach von einem Investitionsstau von 1,5 Milliarden Euro.

Im Landtag herrsche fraktionsübergreifende Einigkeit darüber, dass der Druck herausgenommen werden müsse, berichtete SPD-Landtagsabgeordneter Thomas Reusch-Frey. Arbeitsbedingungen und Löhne müssten stimmen. Reusch-Frey bezog die Arbeit der Erzieherinnen in den Pflegebereich mit ein. Es gehe in den Kindertagesstätten um Bildung, und dazu brauche es Fachkräfte. Der seniorenpolitische Sprecher seiner Fraktion sprach sich für den Erhalt des Marbacher Krankenhauses aus, beispielsweise als geriatrisches Zentrum.