Bericht vom Seniorentreffen

Veröffentlicht am 06.11.2009 in AG 60plus

Folgen des schwarz-gelben Koalitionsvertrags

Beim November-Treffen befassten sich die Steinheimer SPD-Seniorinnen- und Senioren mit dem vor einer Woche abgeschlossenen Koalitionsvertrag zwischen den Parteien CDU, CSU und FDP, kurz: der schwarz-gelben Koalition. Die alte und neue Bundeskanzlerin ist vom Bundestag gewählt und neue und alte (in neuer Funktion) Bundesministerinnen und Bundesminister sind ernannt.

Wir haben uns einige Abschnitte des Vertrags angesehen und festgestellt, dass wichtige Probleme in Arbeitskreise und Kommissionen verschoben werden: Die Finanzierung des Gesundheitssystems, die Zukunft der Mindestlöhne, die Gestaltung von Gewerbesteuer und Mehrwertsteuer, den weiteren Aufbau Ost, die Organisation der Betreuung von Langzeit-arbeitslosen und manches andere mehr. Mit ihren Steuerplänen gefährdet die neue Bundesregierung das Ziel des Bildungsgipfels, die notwendigen Zukunftsinvestitionen in Bildung und Forschung auf zehn Prozent des Brutto-inlandsprodukts zu steigern. Im Koalitionsvertrag erklären Union und FDP, dass sie es den Ländern "erleichtern„ wollen, ihre Bildungsausgaben zu erhöhen. Aber im selben Koalitionsvertrag hinter-treiben sie dieses Ziel selbst, in dem sie genau das Gegenteil ankündigen: Denn die versprochenen Steuersenkungen führen zu Einnahmeausfällen der Länder in zweistelliger Milliardenhöhe. Schwarz-Gelb will an Kita- und Studiengebühren festhalten und zementiert damit eine rückwärtsgewandte Bildungspolitik, die Kindern aus sozial schwächen Familien Bildungschancen beraubt.

Mit der im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP beschlossenen Einführung eines Betreuungs-geldes von monatlich 150 Euro ab 2013 für Familien, die ihre Kinder unter drei Jahren zu Hause betreuen, werden fatale bildungs-, arbeitsmarkt- und gleichstellungs-politische Fehlanreize gesetzt. So werden überkommene Rollenmuster zwischen Männern und Frauen verfestigt und es werden Familien benachteiligt, die Familien- und Erwerbsarbeit vereinbaren wollen. Mit dem Betreuungsgeld („Herdprämie”), wird die dringend notwendige frühe Förderung in guten Kindereinrichtungen hintertrieben.

Schwarz-Gelb will laut Koalitionsvertrag ab dem 1.1.2010 für Beherbergungsleistungen in Hotel- und Gastronomiegewerbe den Mehrwertsteuersatz auf 7 Prozent ermäßigen. Wird das auch an die Gäste weitergegeben? Weiter heißt es: Wir streben Wettbewerbsgleichheit kommunaler und privater Anbieter insbesondere bei der Umsatzsteuer an, um Arbeitsplätze zu sichern und Investitionen zu ermöglichen. Anmerkung: Wir zahlen in Steinheim 7% auf Wasser und für Abwasser keine Umsatzsteuer!

Mit dem Beschluss, die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke auf unbestimmte Zeit zu verlängern, marschiert Schwarz-Gelb direkt zurück in den Atom-Staat und verhindert die Entwicklung neuer, nachhaltiger Energien.

Der Koalitionsvertrag spricht von einer „Weiterentwicklung der Pflegeversicherung“. Es wird behauptet: „In der Form der Umlagefinanzierung kann die Pflegeversicherung jedoch ihre Aufgabe, allen Bürgern eine verlässliche Teilabsicherung der Pflegekosten zu garantieren, auf Dauer nicht erfüllen. Daher brauchen wir neben dem bestehenden Umlageverfahren eine Ergänzung durch Kapitaldeckung, die verpflichtend, individualisiert und generationengerecht ausgestaltet sein muss.“ Ausgerechnet beim kleinsten Zweig der Pflegeversicherung soll das Solidarprinzip aufgegeben werden, der zudem noch nach der Reform 2008 finanziell am besten dasteht.

In der Krankenversicherung soll der Arbeitgeberbeitrag dauerhaft festgeschrieben werden: Das bedeutet: künftige Kostensteigerungen, Einnahmeausfälle und Geschenke an die Leistungserbringer müssen alleine von den Versicherten bezahlt werden. Die Einführung eines einkommens-unabhängigen Zusatzbeitrages, den die Kassen selbst bestimmen müssen, ist im Klartext die Einführung der ungerechten Kopfprämie, die für den Bankdirektor genauso hoch ist wie für seine Sekretärin. Hier ist Seehofer umgefallen, der die Kopfpauschale jahrelang bekämpfte. Das bedeutet für die allermeisten Versicherten eine unzumutbare höhere Belastung. Damit kündigt die schwarz-gelbe Koalition das Solidarprinzip in der gesetzlichen Krankenkasse gleich dreifach auf: die starken Schultern müssen weniger tragen als die Schwachen, Versicherte in reichen Ländern haben Vorteile gegenüber denen in armen Ländern und die Arbeitgeberseite ist von allen künftigen Kostensteigerungen befreit.

Die angeführten Vorhaben wurden lebhaft diskutiert. Erwartet wird, dass die angekündigten Verschlechterungen erst nach den Landtagswahlen Nordrhein-Westfalen im Mai 2010 ausgeführt werden.
Horst Löbner