30 Jahre ohne einen Tropfen

Veröffentlicht am 01.11.2013 in Presseecho

Steinheim-Höpfigheim Roland Heck ist seit 1983 abstinent. Nach der Therapie hat er die Öffentlichkeit gesucht. Von Sandra Brock

Marbacher Zeitung vom 31.10.2013

Scheiße, ich schaff' nicht mal sieben Stunden', dachte sich Roland Heck, als ihm mal jemand davon berichtete, dass er seit sieben Jahren abstinent sei. Heck hat damals getrunken, ging ab und zu in eine Selbsthilfegruppe, 'um die Familie ruhigzustellen'. So lange nichts zu trinken, 'war damals eine unvorstellbare Zeit für mich', sagt Heck. Im Sommer hat er sein 30-Jähriges gefeiert. Seit dem 10. August 1983 hat der heutige Höpfigheimer Ortsvorsteher keinen Tropfen mehr angerührt.

Erzählen will er das nicht, weil er sich für einen tollen Hecht hält. Er will nur eines sagen: 'Es geht. Es geht doch.' Es sind keine 'edlen Ziele', die ihn bewogen haben, nie wieder einen Alkohol zu trinken. 'Dass ich noch abstinent bin, hat einen einzigen Grund: Ich bin ein Angsthase', sagt Heck. Angst hat er davor, dass das Leben wieder wird, wie es früher war, als er noch getrunken hat. 'Es war beschissen. Das waren so negative Gefühle, das will ich nie mehr durchleben.'

Die Verlockung ist auch nicht mehr da. Das war anfangs anders. 'In den ersten drei Jahren kamen immer wieder Situationen, die schwierig waren', erinnert sich Roland Heck. 'Jeder hat so seine Abläufe, Situationen, in denen Alkohol dazugehört.' Diese Abläufe hatte er gelernt, weitestgehend zu ändern. Sechs Monate lang war er stationär in Therapie in der Nähe von Ravensburg. Eine 'teilweise heftige' Zeit mit langen Kontaktsperren nach außen und einem anfänglichen Besuchsverbot. 'Man musste sich mit sich selbst auseinander setzen.' Zwei, drei Monate hat es gedauert, bis er verinnerlicht hat, 'dass nicht die mit mir etwas machen müssen, sondern ich selbst etwas machen muss'.

Was er auch begriffen hat: 'Als Alkoholiker lebt man nach dem Pippi-Langstrumpf-Prinzip: Ich mach' mir die Welt, wie sie mir gefällt.' Dabei müsse man zwangsläufig die Unwahrheit sagen, was zu ganz schönen Konflikten führen kann. 'Also bleibe ich bei der Wahrheit, die hat den Vorteil: Es gibt nur eine. Damit fahre ich recht gut.' Roland Heck hat heute noch 'Aha-Momente', in denen er an Gespräche mit seiner Therapeutin denkt. 'Ich hatte das Glück, dass es eine sehr gute Therapie war.'

Als er 20 Jahre abstinent war, wurde Roland Heck gefragt, was denn nun der Unterschied zwischen damals und jetzt sei. 'Da gibt es vieles', hat er geantwortet. Auf den Nenner gebracht sei es aber die Tatsache, dass er früher Probleme mit Leuten gehabt habe. 'Heute hat der eine oder andere ein Problem mit mir.' Der Alkohol hat ihn angreifbar gemacht. 'Also versucht man, es jedem recht zu machen.' Das muss der Höpfigheimer heute nicht mehr. 'Ich muss nicht everybody's darling sein. Ich muss ich sein. Ich kann nur authentisch sein, wenn ich zu mir stehe.' Auch das hat er in der Therapie gelernt.

Sein Weg war es, auch als trockener Alkoholiker die Öffentlichkeit nicht zu scheuen und vielmehr ganz offen mit dem Thema umzugehen. 'Warum sollte ich anonymer Alkoholiker werden, wenn ich ein stadtbekannter Säufer war?', fragt Roland Heck. Vier Jahre nach seiner Therapie hat er einen Selbsthilfe-Kreis gegründet, der 1989 zur Kreuzbund-Gruppe wurde, die im kommenden Jahr ihr 25-jähriges Bestehen feiert.

Durch den Aufbau der Gruppe ist er sehr stark in der Öffentlichkeit gestanden. In bestimmten Steinheimer Lokalitäten hatte Heck schon vorher einen Bekanntheitsgrad. 'Es war auch hilfreich, dass es da Wirte gab, die mir keinen Alkohol eingeschenkt hätten, auch wenn ich danach gefragt hätte.' Heute muss er oft gar nichts mehr sagen. In einem Höpfigheimer Besen wird er nur gefragt: 'Weiß oder rot?' und bekommt dann ein Krügle mit Traubensaft. 'Das empfinde ich als schön', sagt Roland Heck. Abstinent zu leben scheint auch für andere Leute normal zu sein - ein Unterschied zwischen heute und den 80er-Jahren. 'Als ich von der Therapie zurückkam, musste ich mich mehr rechtfertigen, warum ich keinen Alkohol trinke, als davor, als ich zu viel getrunken habe.'

In 30 Jahren ohne Alkohol hat Roland Heck den Jahrestag seiner Abstinenz genau zweimal gefeiert: den siebten und den 30. in diesem Sommer. Wenn er zurückblickt, ist für ihn eines klar: In den vergangenen drei Jahrzehnten 'habe ich schwierigere Lebenssituationen ohne Alkohol überstanden, als davor, als ich dachte, ich brauche Alkohol.' Es geht. Es geht doch.